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Dienstag und Mittwoch, 17./18.2.2015: Von Choluteca / Honduras über Chinandega / Nicaragua an die Laguna de Apoyo

In der Nacht wache ich immer mal wieder durch irgend einen krähenden Hahn auf. Und die Angst vor weiteren Ameisenbissen macht die Nacht nicht ruhiger.

Gegen halb sieben stehe ich dann auch auf, das Leben hier findet schon seit rund einer Stunde statt. Es ist einfach nur heiß. Gestern schon den ganzen Tag, in der Nacht hat es sich kaum abgekühlt. Der Ventilator läuft die ganze Zeit auf höchster Stufe. Normalerweise dusche ich immer abends, aber an diesem Morgen verlangt mein Körper eine zusätzliche kühle Erfrischung.

Um halb acht gehe ich rüber in den Comedor, um ein Frühstück “con todo”, also mit allem, zu bestellen. Nach rund 15 Minuten erhalte ich einen voll gepackten Teller mit einem Rinderschnitzel, einem Spiegelei, Bohnen, Reis, gebratenen Bananen und Tortillas. Dazu gibt es einen Riesenpott überzuckerten Kaffee. Da muss ich jetzt durch. Morgen früh esse ich Brot mit Marmelade!

Der Sohn der Inhaberin setzt sich zu mir und ist an meinem Fahrrad interessiert. Wie so viele Männer hier. Alle fragen immer bloß nach dem Preis. Dass man sein Auto verkaufen kann, um sich ein gutes Fahrrad zu kaufen, versteht hier niemand. Also sage ich immer, dass das Fahrrad ziemlich teuer ist, ich aber nicht weiß, was es momentan wert ist. Die genaue Preisangabe würde wohl zu großem Unverständnis führen. Lügen um des lieben Friedens Willen möchte ich aber auch nicht.

Ich will losfahren und merke, dass mein Leatherman fehlt, den ich in einer kleinen Ledertasche direkt am Fahrrad befestigt hatte. Das ist schlecht und beunruhigt mich, da er Teil meiner technischen Ausrüstung ist und ich die Werkzeuge häufig benötige. Außerdem hat er mich seit Alaska auf allen meinen Reisen begleitet und mir stets gute Dienste geleistet. Wahrscheinlich wurde das Teil gestern im Bus geklaut. Denn gestern Mittag habe ich damit noch eine Mango aufgeschnitten.

Ich fahre zu einer Ferreteria, einer Eisenwarenhandlung, die gleichzeitig auch ein Reparaturbetrieb für Motorräder ist. Erwarten tue ich allerdings nichts. Der Besitzer telefoniert gerade, ich warte ein paar Minuten und will gerade wieder wegfahren, als er das Telefon aus der Hand legt und mich fragt, was ich denn wolle. Ich frage nach einem “cuchillo por multi uso”, einem Messer für vielfältigen Gebrauch, der Verkäufer geht in sein Büro und ich bin absolut erstaunt, als er mit einem Leatherman Wave zurückkommt. Ich frage, ob er dieses Werkzeug auch verkauft, er nickt kurz mit dem Kopf, nennt mir seinen Preis und ich sage ihm, dass er für mich heute das Glück sei. Wir diskutieren noch ein wenig über Länder und Diktaturen, er ist der erste Mensch hier in Lateinamerika, der mich auf Hitler anspricht. Wir sind beide der Meinung, dass es schwierig ist, als Teil der Bevölkerung eines Landes Verantwortung für das Handeln der Regierung des Landes zu übernehmen. Und dennoch kommt man als Bürger nicht darum herum.

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Montag, 16.2.2015: Von El Cuco/El Salvador nach Choluteca/Honduras

Jeans Situation beschäftigte mich noch eine ganze Weile in der Nacht – ich frage mich, wie es denn sein muss, wenn die Partnerin in der Beziehung keine Perspektive für sich sieht.

Was treibt uns denn nach vorn, wenn nicht die Perspektiven, die Erwartungen für und an die Zukunft? Ja, wenn in einer wichtigen und wesentlichen Situation für uns keine Perspektive erkennbar ist und sich das auf das gesamte Leben auswirkt, dann müssen wir uns wieder Perspektiven verschaffen. Oder wir werden depressiv oder verzweifelt oder fatalistisch.

Und da hat Hermann Hesse dann Recht (und meine Mutter auch): Ein Ende ist immer auch ein Anfang, etwas Neues mit neuer Perspektive.

Jean und ich umarmen uns zum Abschied. Er ist der erste Franzose, den ich kenne und der richtig sympathisch ist. Das sage ich ihm. Er weiß, wie ich das meine. Vielleicht sehen wir uns wieder in La Union oder in Nicaragua.

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